4.4.2 Die Bedeutung neuroplastischer Mechanismen für therapeutische Zwecke

Unter Neuroplastizität soll kein Heilungsversprechen verstanden werden, sondern die

- innere Fähigkeit der Nervenzellen, gegen chemische und strukturelle Änderungen zu kämpfen,
- adaptative Abilität der Nervenzellen, gegen Schädigungen und Krankheiten zu kämpfen,
- Fähigkeit der Nervenzellen, in sich verändernden Umgebungen und Prozessen der
  Informationsspeicherung  ihre Aktivität zu verändern.
  ANNUNCIATO 2000, S. 1
Wie bereits erwähnt, werden neuroplastische Prozesse durch Bewegung und über die Sinne angeregt. Diese Tatsache läßt sich therapeutisch und rehabilitatorisch nutzen, um eine geschädigte Funktion aufzubauen.

Um geschädigte Hirnareale im Rahmen der Möglichkeiten wiederherstellen zu können, müssen dem Hirn über die Peripherie geeignete Reize geboten werden:

Man beachte die Tatsache, daß wenn sich eine solche Unausgeglichenheit oder Dysfunktion dieser neuro-muskulären Kontrolle bereits eingestellt hat, wie z.B. eine Hypotonie, eine Veränderung der Motorik usw., therapeutisch eine Neuordnung der Afferenzen hergestellt werden sollte, damit diese die Mechanismen des plastischen Prozesses des Nervensystems auslösen können.             ANNUNCIATO 1998b , S. 15
Plastische Prozesse werden zwar mit zunehmendem Alter oder auch traumatischer Schwächung nach und nach weniger wirksam, bleiben jedoch bis ins hohe Alter bis zu einem gewissen Grad von Bedeutung.
Hieraus ergibt sich ein weiteres Argument für die Forderung nach einem möglichst frühzeitigem Rehabilitationsbeginn.

Die Möglichkeit der Wiederherstellung und Veränderung von Neuronenverbindungen bewegt sich innerhalb verschiedener Grenzen. Sie ist abhängig von der Größe, des Ortes und des Alters der Schädigung, von dem Zeitpunkt des Therapiebeginns, der Dauer und der Häufigkeit der Therapie. Weitere Beeinflussungskriterien sind darüber hinaus das Alter des Patienten und die Motivation von Patient und Therapeutin (vgl. ANNUNCIATO 2000, S.1).

Darüber hinaus gilt es zu beachten, daß es nicht ausreicht und der sensomotorischen Entwicklung widerspricht, ausschließlich Übungen für die von einer Störung betroffenen Bereiche durchzuführen, da das Nervensystem eine unteilbare Einheit bildet und dementsprechend ganzheitlich diagnostiziert und behandelt werden muß (vgl. ANNUNCIATO 1998a, S. 120).


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