Die Bewandtnis und Notwendigkeit von Körperübungen in der sprachheilpädagogischen Therapie ergibt sich bereits aus den in Kapitel 4.2 angeführten Gründen und der Erkenntnis, daß komplexe motorische, sensorische und sprachliche Leistungen nur durch ein enges Miteinander der verschiedenen Hirnregionen hervorgebracht werden können. Diese Verbindungen lassen Rückschlüsse auf die häufig beobachtbaren Zusammenhänge kindlicher Sprach- und Bewegungsstörungen zu (vgl. GROHNFELDT 1993, S. 77ff). Ohne Bewegung käme es darüber hinaus zu keinem Wahrnehmen, Sprechen, Handeln oder sozialem Verhalten (vgl. BENDER 1999, S. 7 f, GROHNFELDT 1993, S. 158).
Das Grundprinzip der Ganzheitlichkeit schließt diesen Kreis.

Ähnlich argumentieren EGGERT/KIPHARD, Vertreter der Psychomotorik:

Übergreifend läßt sich sagen, daß durch die Trainingsmaßnahmen zur Bewegungsfunktion nicht nur eine Verbesserung der motorischen Geschicklichkeit, sondern auch Rückwirkungen auf das neurologische Interaktionsgeschehen erwartet werden.
1973, zitiert in GROHNFELDT 1993, S. 163
Es kann zudem günstig auf eine fehlerhafte Muskelspannung eingewirkt werden, welche oftmals im Zusammenhang mit Sprach- und Sprechstörungen auftritt. So lassen sich beispielsweise häufig bei vorwiegend mundatmenden Patienten mit Schluckfehlfunktion oder Dyslalie ein Hypotonus und bei solchen mit hyperfunktionellen Stimmstörungen eine zu hohe Gesamtspannung feststellen.

Nach DELACATOs Theorie sind sämtliche Formen von Sprachstörungen als Ausdruck einer gestörten Hirnfunktion bzw. einer tieferliegenden Reifunghemmung des ZNS zu verstehen (vgl. 1966, S. 7). Folglich müssen Behandlungsmethoden auf die zentrale Ursache der Störung abzielen, nicht auf das Symptom!
Liegt die Störung im Gehirn, dann muß sich die Behandlung mit dem Gehirn und der Neurologischen Organisation befassen. DELACATO 1966, S. 116

Die unten beschriebenen Körperübungen der PADOVAN-Methode sind partiell dem Behandlungsansatz von DELACATO entlehnt und beruhen auf dem passiven Auferlegen von Bewegungen auf den Körper des Patienten. Dieses passive Auferlegen hat den Zweck, diejenigen Hirnzentren zu stimulieren, welche eigentlich diese Funktion kontrollieren sollten, dies aber nicht oder nur unvollständig tun (vgl. DELACATO 1966, S. 118). GODDARD stellt in diesem Zusammenhang fest: „Die  Bewegungsabläufe, die die Entwicklung leistungsfähiger Nervenbahnen fördern, erleichtern die stetige Entwicklung des Gehirns“ (1998, S. 71). AFFOLTER/BISCHOFSBERGER unterstützen darüber hinaus die These, daß die aufgenommenen Spürinformationen dieselben sind, egal, ob der Mensch sich selbst bewegt oder bewegt wird (1989, S. 219 f.).

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